Das Abenteuer meines Lebens

Das Abenteuer meines Lebens

Der 99 Tag meiner Reise, war der Beginn einer Reise. Ein Weg zurück zu meiner Natur, zu der Natur und zu absolutem Gottvertrauen. Also zum Vertrauen in die Energien und deren Gesetze. Und das hatte sich folgendermaßen abgespielt.

Ich besuchte zu jener Zeit Tiomen Island in Malaysia. Eine wunderschöne Insel, die 3 Stunden mit der Fähre vom Festland entfernt an der südlichen Ostküste Malaysias liegt und ca. 10km breit und 20km lang ist. Außer den einzelnen bewohnten Buchten, die nur mit dem Boot zu erreichen sind, gibt es nur Natur. Ich wohnte in einer kleinen Hütte mit Bad in Palau. Das ist die einzige besiedelte Bucht, die dem offenen Meer zugewandt ist. Dieser Ort ist eigentlich zu schön, um davon zu berichten, da er kaum touristisch frequentiert ist und es gefühlt nur besondere Menschen dort hin verschlägt. Es führt nur eine Straße zu diesem Ort, an dem die Zeit anders zu ticken scheint und die Einheimischen vielleicht auf Grund ihres Zusammenhaltes untereinander, eine Lebensfreude und Gelassenheit ausstrahlen, die sonders Gleichen ist.

Dort traf ich auf Martin, der aus Berlin stammt und ähnlich wie ich, durch Asien reist ohne einen festen Plan und ein zeitliches Limit zu haben. Zufälliger Weise sind wir beide am selben Tag, dem 3. November, in Deutschland gestartet. Martin verbrachte zuvor 2 Wochen in Borneo und unternahm mehrere Dschungeltouren, unter anderem erkundete er ein Höhlenlabyrinth und durchquerte Flüsse. Ich reiste vom Nationalpark Taman Negara, einem der ältesten Regenwälder unseres Planeten, an, wo ich 11 Monde und 12 Sonnen erlebte. Da wir uns beide sehr gut verstanden und im Vorfeld Dschungelerfahrung gesammelt hatten, entschieden wir den höchsten Berg -Gunung Kajang- der in der Mitte der Insel liegt, zu erklimmen -ohne Guide! Diese Tour geht über 2 Tage und man schläft mit einer Hängematte auf dem Gipfel, von dem nicht weit entfernt eine Quelle mit frischem Trinkwasser entspringt.

Am Tag zuvor organisierte ich mir von Ruan, dem Besitzer eines Cafés und Tour-Guide, eine Hängematte. Bei ihm informierten wir uns auch über die Route. Sie startete an dem Wasserfall, den wir zuvor schon über die beiden möglichen Pfade besichtigt hatten und war mit an Bäume genagelten Plastikflaschen markiert. Wir kauften Proviant ein und jeweils eine 1,5L Flasche Wasser und eine 1,25L Flasche mit Isotonischem Getränk. Auch sagten wir Adam, dem Inhaber des Resorts Bescheid, dass wir am darauffolgenden Tag den Berg besteigen würden. Adam war das sehr wichtig, da sich einige Zeit zuvor ein Gast aus England auf dem etwas schwierigeren Weg zum Wasserfall verlaufen hatte. Dieser sagte damals niemandem Bescheid und so wurde erst nach 3 Tagen bemerkt, dass etwas wohl nicht stimme, weil ihn über diesen Zeitraum niemand gesehen hatte. Die Uhren ticken an diesem Flecken anders und so entschied man noch einen Tag zu warten und schickte dann einen Rettungstrupp los. Der Engländer wurde 10m abseits des Weges kurz vorm Verdursten gefunden. Er hatte sich dort verschanzt und auf Rettung wartend ausgeharrt. Wir waren besser vorbereitet, die Leute wussten von unserem Vorhaben und so ging es los…

Zuerst nahmen wir die interessantere Route des Engländers zum Wasserfall. Auf dem Weg fanden wir eine riesige Schnecke, die größer als meine Hand war und sich auf dem Foto in ihr Haus verzog. Sie rief uns zur Langsamkeit und Innenschau auf, was zu diesem Zeitpunkt noch niemand zu deuten wusste. Wir erreichten den Wasserfall mühelos und fanden auch die ersten „Plasteflaschen“ -ich liebe diesen Berliner Dialekt- an den Bäumen. Das war nach etwa einer Stunde so gegen halb 9 Uhr morgens. Dieser Weg wird selten bewandert und die Markierungen sind in recht großen Abständen angebracht. So kam es, dass wir nach etwa 1 1/2 Stunden vom markierten Weg abgekommen waren. Martin empfing ein GPS-Signal über GoogleMaps und wir einigten uns darauf, den Gipfel via Luftlinie anzusteuern. Jetzt hatte das Abenteuer begonnen! Ohne einen Zweifel, unser Ziel zu erreichen, schritten wir tapfer voran. Stetig bergauf, jedes Hindernis in Angriff nehmend. Wir machten Bekanntschaft mit den ersten Dornensträuchern, in denen wir uns abwechselnd verfingen und lernten Holzstöcke zu gebrauchen, um uns diese vom Leib zu halten. Etwas später standen wir vor einer Schlucht. Diese war gefüllt mit einem Meer aus Felsen. Nachdem wir uns beraten hatten, ob wir die Schlucht umgehen sollten oder von Felsen zu Felsen klettern, entschieden wir uns, auf die ersten Felsen zu kraxeln und von dort zu schauen, ob diese Route machbar ist. Es war nicht ohne, aber möglich und wir fanden eine Lösung, die Schlucht über die Felsen zu überwinden. Schwitzend von der Anstrengung und der tropischen Mittagshitze folgte danach erstmal eine Pause. Der Dschungel fordert alle Deine Sinne und jede noch so kleine Unaufmerksamkeit wird bestraft. Es reicht schon, wenn Du für 10sec ins Denken verfällst. Das Gehirn erholte sich in der Zeit und freute sich über frische Kohlenhydrate. Wir lachten und waren stolz auf unsere Leistung. Dann marschierten wir weiter Bergauf und bahnten uns einen Weg. Teilweise konnten wir uns im steilen Hang nirgends festhalten, da alles um uns herum stachelig oder morsch war. Es war mühsam und kostete einiges an Kraft. Zu diesem Zeitpunkt fürchtete ich mich noch vor Spinnen, die überall in den Büschen hingen. Martin ist über diese Angst erhaben und ich war froh, dass er sich nicht lustig machte über mich. Wir verstehen uns irgendwie blind. Die Führung übernahm ohne Worte zu verlieren immer derjenige, der gerade mehr Power hatte und für ein zügiges Vorankommen taugte. Als wir vor der nächsten Schlucht standen, umgingen wir diese rechtsherum. Dort sah ich einen Affen hinter uns vorbeiflitzen. Hinter der Schlucht erwartete uns dichter Pflanzenbewuchs, da an lichten Stellen das Gestrüpp nur so aus dem Boden sprießt. Und Gestrüpp ist mit Stacheln überseht oder brennt wie Brennnesseln schön langanhaltend. Ich bewundere Martin noch heute, wie er oberkörperfrei und mit kurzen Hosen da durch walzte. Es ging geradewegs Richtung Ziel und dieser Weg führte uns auf einen Bergkamm. Dort war es Felsig und licht. Wir kletterten, teilweise am Abgrund entlang und kämpften uns den Weg frei. Mit absolutem Willen und furchtlos ging es voran -wir hatten trotz der Strapazen eine Heiden Freude an der Sache! Ich fühlte mich wie ein Kind, das niemand aufhält und mit dem Glück das so ein Vorgehen mit sich bringt, blieb ich unverletzt. Du hast bestimmt schon von unglaublichen Geschichten gehört, in denen Kinder unversehrt aus Situationen kamen, was für „normal“ denkende Erwachsene mit reinem Glück erklärt wird. Martin erzählte mir von einem YouTube-Blogger, der Videos mit den Titeln „Mama kuck mal…“ produziert. Dafür fehlte uns die Zeit. Mama du wirst es mir danken 🙂

Inzwischen waren es Luftlinie nur noch 500m  bis zum Gipfel. Jedoch dämmerte es schon leicht und unser mühseliger Weg ließ sich nur stückweise, Meter für Meter beschreiten. Also entschieden wir einen Platz zum Campieren aufzusuchen, der einigermaßen frei  von Gestrüpp war und Bäume im geeigneten Abstand für die Hängematten besaß. Nach ca. 15min fanden wir die besagte Stelle. Die Dämmerung war jetzt auch schon voll hereingebrochen und das letzte Sonnenlicht reichte gerade, um den Platz herzurichten, die Hängematten zu installieren und Feuerholz zu sammeln. Während Martin den Proviant richtete, kümmerte ich mich ums Lagerfeuer. Das war so schön am Feuer zu sitzen, das ich mit 2 Platt Klopapier und dünnen Ästchen entfachen konnte, und den Tag Revue passieren zu lassen. Wir hatten beide einige Dschungelerfahrungen und trotzdem war das hier neu. Beim Biertrinken, es waren 9 Dosen, die wir mitschleppten und brüderlich teilten, lachten wir uns über den Engländer schlapp und über den Wagemut, der uns mit nur kleineren Blessuren bis fast ans Ziel gebracht hatte. Sicher, morgen nach etwa einer Stunde, den Gipfel zu erreichen, legten wir uns voller Optimismus und glückselig in unsere Hängematten. Ich schlief sofort ein und wachte mitten in der Nacht aus meinem Traum auf, indem gerade die Hängematte abriss -Schock! Es zeigten sich meine Ängste. Die zweite Angst war von Affen die Vorräte geplündert zu bekommen. Da es super kalt wurde, auf etwa 900m über Null, mummelte ich mich in meine Fleecedecke wie in einen Kokon. Jeder der schon mal in einer Hängematte geschlafen hat, kann mir bestätigen, wie kalt es wird, wenn der Wind unterm Arsch entlang bläst. Eingekuschelt in die Decke schlief ich wieder wunderbar ein, bis ich total realistisch von Affen träumte, die mich vor Angst erstarren ließen. Die Horde machte sich über die Vorräte her und sprang rücksichtslos durchs Camp und auf mich. Als ich innerlich entschied, dass ich das ganze über mich ergehen lassen würde und betete, das sie nur den Proviant stehlen mögen und mich nicht angreifen würden, verwandelten sich die Affen in nun zwei kleine flauschige Äffchen die zum Schmusen auf meinen Bauch kletterten und mir Wärme spendeten. Ganz begeistert brachte ich ein Äffchen zu Martin, um es ihm zu zeigen, ehe ich wieder erwachte. Was eine Nacht mit den Geräuschen, den Träumen, dem ganzen Empfinden!

                                                                                       
Früh morgens frühstückten wir, machten die Bierdosen klein und sammelten allen Müll ein, packten die Hängematten ein und nach einem Toilettengang setzten wir unseren Marsch fort. Der Bergkamm war nun fast nur noch von Stachelgestrüpp bewuchert und wurde zudem immer schmäler. So brauchten wir teilweise an die 10min, um herauszufinden, wie wir um einen Felsen ohne abzustürzen herumkommen oder wie wir über ihn klettern konnten. Uns hielt am Ende nichts auf und wir erklommen den Gipfel um 11:30 Uhr. Es ging definitiv nicht mehr höher. Während wir uns noch freuten und in alle Richtungen die Ausschau genossen, änderte sich der Gemütszustand der Freude plötzlich in einen des Entsetzens! Da war ein Berggipfel rechts von uns, der etwa 50m höher war und obwohl nur 300m Luftlinie entfernt, doch unerreichbar durch ein tiefes Tal von uns abgeschnitten war. Scheiße! Keine Quelle mit frischem Trinkwasser und keine einfache markierte Wanderoute zurück, sondern umgeben von drei Abhängen, standen wir da. Martin wollte vorerst unbedingt an unserem ursprünglichen Ziel festhalten und den Abhang ins Tal und den steilen Anstieg auf der anderen Seite in Angriff nehmen. Für mich war das zu riskant. Falls wir das nicht an dem gleichen Tag schaffen würden und später nicht die Quelle und den Wanderweg finden würden, wäre das sehr brisant geworden. Wir entschieden, dass wir zufrieden mit unserer Leistung nun ein neues Ziel definieren. Und das hieß umkehren und den eigenen Weg zurückzuverfolgen. Da es schon halb zwölf war, mussten wir uns beeilen, damit wir noch im hellen zurück sein würden. Was ich noch nicht erwähnte, war das wir nachts unsere Smartphones ausschalteten und somit kein GoogleMaps funktionierte. Drei Tipps an dieser Stelle, falls Du einen ähnlichen Trip planst: Erstens ist Wasser (nicht Bier) das Wichtigste, zweitens eine Machete prinzipiell unverzichtbar und drittens der Download von Offlinekarten sehr zu empfehlen! Das Ziel hieß indirekt und unausgesprochen fortan überleben. Wir machten uns also auf den Rückweg, was erst einmal leicht war, da es den Kamm entlang ging. Nach etwa 25min kamen die ersten Felsbrocken, die man umgehen musste und in der Hektik verloren wir an dieser Stelle unseren ursprünglichen Weg. Als wir es bemerkten, war es schon zu spät. Wir liefen zurück bergauf und vorwärts bergab auf der Suche nach unserem Weg. Es war jedoch kein umgeknickter Strauch, keine abgeschlagenen Dornenäste oder kleingetretenes morsches Unterholz zu erkennen. Und wie wir uns umschauten sahen wir mehrere Berggipfel, bei denen wir nicht mehr eindeutig feststellen konnten, welcher der des Gunung Kajang war. Einfacher ausgedrückt hatten wir uns verlaufen. Witziger Weise war der unangenehmste Gedanke, der als Schlagzeile in einer Zeitung zu landen, „2 Deutsche im malaysischen Dschungel verschollen“ und das ein Rettungsteam extra wegen uns losgehen würde. Dies mit sicherer Wahrscheinlichkeit ohne Erfolg, denn wir waren abseits jeglicher Routen mitten im Dickicht. Wie ähnlich Martin und ich doch manchmal ticken. Die Gesichtsausdrücke spiegelten im ersten Moment pure Verzweiflung wider. Um die Himmelsrichtungen zu bestimmen, suchten wir nach einer vorinstallierten Kompass-App, die keiner hatte und dann versuchten wir uns an der Sonne zu orientieren, die um die Mittagszeit blöderweise direkt über uns stand. Ich wollte die gute alte Methode anwenden und einfach immer bergab gehen. Martin erklärte mir, dass wir so womöglich noch weiter ins Innere der Insel vordringen oder an einem unbewohnten Küstenabschnitt rauskommen könnten. Das Problem war das Wasser! Denselben Satz hatte ich 2 Tage zuvor in einem Gespräch eines Nachbartisches beim Dinner aufgeschnappt und als Zeichen verstanden. Manchmal spricht Gott durch andere Menschen und ich darf das fühlen. Daraufhin hatte ich mir ein 0,5L  Flächen extra eingepackt und war beruhigt, als ich hörte, dass am Gipfel eine Quelle entspringt. Jeder hatte nun aber nur noch etwa einen ¾ L und es war brütend heiß und schwül. Wir erinnerten uns an den Engländer, beschlossen nie wieder einen Witz über ihn zu machen und stellten fest, dass Ausharren auch kein brauchbares Ergebnis bringt. Eventuell im Zusammenhang mit einem großen Feuer, was allerdings nur im absoluten Notfall in Frage gekommen wäre. Daraufhin sagte ich Martin, dass ich in so Fällen den Schmetterlingen folge, weil mir so mein Herz oder das Universum den Weg weist. Obwohl Martin nicht spirituell ist, willigte er ein und bat mich vorauszugehen. Es dauerte vielleicht 5min und ich sah den ersten Schmetterling. Ich betete innerlich dafür, dass uns der Weg gewiesen würde, weil wir beide keine Ahnung hatten und stellte dabei fest, dass ich blind vertraute. Ich fühlte mich geborgen und der mögliche Tod war unwichtig. Das Gefühl schien sich auf Martin zu übertragen. Denn wenn er die Führung übernahm, folgte er auch voller Begeisterung den Schmetterlingen. „Da war wieder einer, es geht da lang!“, hieß es öfters. Es ging die meiste Zeit bergab, bis wir an Klippen kamen und ich mir innerlich die Frage stellte: „Gott, wo soll es weiter gehen? Bitte gib mir einen Hinweis, ich brauche dich jetzt wirklich sehr.“ Just in diesem Moment sagte Martin: „Lass uns nach links weitergehen.“ Ich war baff, wie schnell Gott handelt, wenn es wirklich wichtig ist und er gebeten wird. Ich erzählte Martin davon und er nannte es „meine Intuition“. Wir gingen somit zu den Klippen und kletterten über die riesigen Felsen, zwischen denen sich tiefe Abgründe auftaten. Teilweise war es sehr verrückt. Manchmal stand ein einzelner Baum auf einem Felsen, mit dessen Hilfe wir auf den nächsten Felsen klettern konnten. Oder es hing genau eine Liane zum abseilen da, die Gott sei Dank jedes Mal hielt. Wir waren bei „Mama kuck mal…“-Teil 97 oder so, als ich mich auf dem Bauch an einem Felsen hochzog. Mich, indes die Vegetation auf diesem einsetzte, an leichtem Gestrüpp festhaltend und so eine minimale Kraft erzeugend, um weiter hoch zu robben, ertönte plötzlich hinter mir ein „Pieppiep, Pieppiep“. Martin war sehr froh und stellte am Felsen hängend fest, dass sein Smartphone an dieser Stelle mitten im Urwald Internetempfang hat. War es doch der Ton für eintreffende WhatsApp Nachrichten. Martin, dieser Fuchs hatte sein Phone extra laut gestellt und auf einen solchen Moment nur gewartet. Wir ergänzten uns mit unseren Fähigkeiten prächtig. Ich war hellauf begeistert oder besser gesagt mein Verstand. Martin schaffte es zu mir nach oben und starrte erstaunt in eine Richtung. Jetzt war auch er hellauf begeistert: „Alter was war das! Ich dachte erst, da fliegt ein riesiges Blatt durch die Luft. Dann isset an dem Baumstamm gelandet, hat seine Flügel eingeklappt und is wie ein Affe hoch in die Krone geklettert.“

Wir setzen uns an eine sichere Stelle, denn es ging ca. 25m abwärts von diesem Felsen. Die Schmetterlinge hatten uns an einen Platz mit Internet geführt. Martins Intuition war jetzt gefragt. Er wusste genau was zu machen war. Erst eine WhatsApp Nachricht an Adam schicken, dann ein Screen Schott von GoogleMaps mit unserer Position machen und ebenfalls senden. Wir hatten wieder eine Karte und ein GPS-Signal. Noch 5km Luftlinie zu unserer Bucht, der nächst belebte Ort und es war halb vier. Die Schmetterlinge sind so genial! Und wir entschieden ab sofort der Technik zu folgen und geradeaus unseren Zielort anzusteuern. Obwohl es fortan stetig bergauf ging, brächte ich dringlich voran, in Gedanken vielleicht noch heute Abend zurück zu sein. Mein Verstand, überflutet mit Glückshormonen, war nicht nützlich. Erst während ich mich beobachtete, wie ich bei einem kurzen Zwischenstopp von meinem restlichen Wasser, das ich zuvor stündlich, Schlückchen weise genoss, die Hälfte abpumpte, bemerkte ich, dass ich weg vom Fühlen war. Martin sagte, dass er es zu spät bemerkt hatte und mich das nächste Mal stoppen würde. „Ich bitte darum, ich grad total von Sinnen.“, bedankte ich mich. Je höher wir kamen, umso lichter wurde es wieder und diesmal brauchten wir teilweise 30min für 10m Fortschritt. Oben angekommen wurde uns klar, auf der anderen Seite geht kein Weg hinunter. Die Dämmerung setze langsam ein und es waren 4,5km bis nachhause. Im Verstand war wieder Verzweiflung angesagt und die dazugehörigen Hormone im Körper aktiv. Enttäuscht, vor allem ich von mir selber, hatte ich doch meinen Fokus für den gegenwärtigen Moment verloren und uns an diesen Ort geführt, beratschlagten wir uns. Wir kamen zu dem Entschluss in die „falsche“ Richtung bergab zu gehen, Schmetterlingen, wenn denn welche auftauchen würden, zu folgen und nach einem geeigneten Platz für ein Nachtquartier zu suchen. Nach einer weiteren dreiviertel Stunde Dornengestrüpp und steinigen Abhängen, die mittlerweile bei unserem Erschöpfungszustand und dem Wassermangel, zum mühsamen Stückwerk wurden, fanden wir einen Flecken im Hang, der sich eignete die beiden Hängematten aufzuhängen. Vor Erschöpfung redeten wir nicht mehr so viel. Es war schon fast komplett dunkel. Mein Wasservorrat betrug knappe 200ml, Martins etwa 400ml. Die salzigen Cracker konnten wir nicht essen. Nun war ich heil froh über eine Dose Tunfisch, der ein wenig Brühe hatte und eine Dose rote Kidneybohnen. Martin, der mich zu Beginn unsere Wanderung noch auslachte wegen dieser beiden Gegenstände, freute sich über die halbe Dose Bohnen und schlürfte das Bohnenwasser mit einem Genuss, leckte die Dose aus und legte sich dann ab. In unseren Matten hängend feierten wir beide das Bohnenwasser. Erstaunlicherweise hatte Martin genau hier wieder minimalen Internetempfang, um unsere Position zu schicken -Diese Schmetterlinge haben’s drauf- und bescheid zu geben, dass falls wir morgen nicht ankommen würden, am folgenden Tag ein Rettungsteam benötigt würde. Auf die Frage von Adam, ob uns denn sonst irgendetwas fehlen würde, antwortete er: Bier und eine Machete. Der Humor war noch vorhanden. Wir konnten nicht wirklich einschlafen und lagen noch eine ganze Zeit lang wach in unseren Hängematten, unterdessen etwas knapp an meinem Kopf vorbei flog. Dazu hörte ich die Worte: „Wat is denn das! Alter, siehst du das auch!?“ Bevor ich antworten konnte, flog schon der nächste Gegenstand und ich rief: „Stop it! Man, du weißt nicht was es ist, nimmst es in die Hand und wirfst es auch noch Richtung mein Kopf.“ Von Martin kam: „Is mir jetzt auch egal. Kuck mal bei dir runter. Bei mir leuchtet alles!“ In der Tat leuchtete der gesamte Boden unter mir. Von einer geführten Nachtwanderung im Nationalpark, wusste ich, dass das fluoreszierende Blätter sind. Was ein Zeichen. Licht in der Dunkelheit! Der Clou war, als noch Glühwürmchen auftauchten und eines, diesmal war es kein Traum, auf meinem Bauch landete. Zudem hörte ich ganz leise Geräusche eines frisierten Rollers. Martin wollte mir das nicht glauben. Ich war mir sicher. Wie aussichtslos die Situation auch war, war ich doch voller Hoffnung im Verstand und gesegnet mit Gewissheit im Herzen, dass dies eine notwendige Lektion sei, durch die wir beide geleitet werden.

Am nächsten Morgen befeuchtete ich meinen Mund, wir packten unsere Sachen und gingen weiter bergab. Schon arg erschöpft, war es jetzt schön weniger Buschwerk zu haben. Die Vegetation wurde angenehmer, der Weg allerdings nicht. Denn es kamen Situationen in denen wir klettern mussten, was an die Reserven geht. Es ging teilweise sehr steil runter, es waren tiefe Felsspalten zu überwinden und manchmal standen wir an einem Ort, wo wir mehrere Minuten überlegten, wie dieses Hindernis zu überwinden sei. Erstaunlicherweise gab es jedes Mal meist genau eine Lösung. Es war die richtige Kerbe im Fels, es hing die passende Liane herunter oder es war ein Baum gewachsen, an dessen Wurzeln wir uns hinunter hangeln konnten. Oder es stürzte beim Testen ein Baum um, die Liane riss, damit klar war: Nicht diese Option. Das war ein unglaubliches Erlebnis. Und wir folgten wieder den Schmetterlingen und kontrollierten nur noch grob mit dem GPS. Gegen 9:30 Uhr hörte ich Wasser rauschen und brach in Begeisterung aus. Martin bremste mich, meinte: „Dat glob ick erst, wenn ick et sehe. Könnte och nur Wind sein.“ Der Weg zu diesem Geräusch war steinig und schwer. Am Ende führte das Rauschen in der Tat zu einem Fluss. Halleluja war das ein Gefühl. „Wasser Martin, Wasser!“, brüllte ich. Wir wuschen unsere geschundenen Arme und unser Gesicht ab, ließen uns nieder und teilten eine Zigarette. Ich kramte den Müll heraus, entfaltete eine Wasserflasche und füllte sie mit dem Flusswasser. Dabei fand ich unten in meinem Rucksack eine Dose Redbull. Ich brüllte erneut los: „Martin…“ Da wir noch mehr als 4km von dem Dörfchen entfernt waren, entschieden wir, dass es zu riskant sei das Flusswasser zu trinken. Denn falls wir krank werden würden davon oder Durchfall bekämen, wäre das definitiv das Ende gewesen. Vielleicht kannst Du Dir annähernd ausmalen, welch ein Gefühl es war, diese Dose Redbull in minimalen Schlückchen zu teilen und jeden Schluck langsam die Kehle runterrinnen zu spüren, den intensiven Geschmack davon zu feiern-Mega! Ich war wieder voller Euphorie und diesmal bewusst über diesen Zustand. Die Langsamkeit und Innenschau war eben gefragt.

Auf der Karte nahe bei unserem GPS-Signal war nur ein Fluss eingezeichnet und dieser führte zu dem Örtchen in dem unser Resort lag. Es ging heimwärts! Der Fluss war fantastisch. Es wimmelte von Libellen und bunte zum Teil riesige Schmetterlinge flatterten durch die Luft. Die Zeit der Transformation war gekommen. Das Alte durfte jetzt gehen und die neu gemachten Erfahrungen, das Erlernte, durfte sich integrieren. Der Fluss entsprang dem Gipfel des Gunung Kajang und kam aus 1035m Höhe. Es war weiterhin felsig und wir sahen massenhaft Wasserfälle, die hier und da zu umgehen waren. Die Sonne brannte gegen Mittag senkrecht vom Himmel, da am Fluss kaum Schatten war. Währen dessen ruhten wir auf dem nächsten Felsen, bei dem es Schatten gab aus. Ich trank den Rest meines Wassers Schlückchen weise und aß ein paar Kekse. Ich habe beobachten können wie der Körper das Gefühl für Durst langsam einstellt, wenn nicht genug Flüssigkeit reingegeben wird. Der ist so schlau und zum Überleben in freier Natur bestens geeignet. Beim Fasten -ich habe vorgestern erst vier Tage ohne Essen beendet- geschieht das Gleiche. Das Verlangen lässt nach, um nicht durch zu drehen. Was bleibt ist der Erschöpfungszustand. Doch wenn der Wille vorhanden ist, können einige Deadlines überschritten werden. Und so schritten wir voran, wie es eben möglich war. Gegen 2 Uhr Nachmittags hatte ich etwa 50m Vorsprung auf Martin und hielt an, um auf ihn zu warten. Er näherte sich einem kleineren Abhang aus glattem Stein, der 2m steil und weitere 3m weniger abfallend unmittelbar zu mir führte. Während Martin versuchte diese Stelle vorwärts zu meistern, verlor er seinen Halt, rutschte auf seinen Sohlen die ersten 2m abwärts und beschleunigte dabei enorm. Fortan lief für mich alles wie in Zeitlupe ab: Ich beobachtete wie seine Füße in der Felskuhle plötzlich auf null abgebremst wurden und er Kopf vor in Seemannsköpper Manier den weiteren 3m Abhang entlangflog. Ich fixierte seinen Kopf der mit Vollspeed Richtung Fels raste und dachte in blitzschnellen Gedanken: „Gesund, heil, ganz…“, ehedem ich sah wie er seinen Kopf einzog und seine Wirbelsäule rund machte. So kam nicht sein Kopf, der max. 20cm über dem Fels war, sondern der Rucksack zuerst auf dem Felsen auf, wodurch er sich überschlug und auf dem Rücken landete und noch etwa eineinhalb Meter schlidderte, bis er da lag. In meinem Kopf raste der Gedanke: „Fuck, fuck, fuck,…“, und ich wollte zu ihm und wissen wie es ihm geht. Er war voll im Schock und gab mir zu verstehen: „Bleib weg, ich brauch jetzt Raum für mich!“ Er stand auf und setze sich ein paar Meter abseits, zündete sich eine Zigarette an und sammelte sich. Ich saß auf dem Boden, checkte, dass nichts gebrochen ist und sammelte mich ebenso. In meinem Kopf war Panik von dem Anblick und den was wäre wenn Gedanken, die nebenher noch abliefen. Nach einer Weile sprach Martin mit mir. Er konnte sich an nichts erinnern und war bis auf ein paar Schürfungen, die nicht weiter ins Gewicht fielen bei den schon vorhandenen Verletzungen, unversehrt was den Bewegungsapparat betrifft. Somit setzten wir die Tour sehr langsam fort. Die geistige und körperliche Erschöpfung war jetzt, mit dem frischen Cocktail an Hormonen nach diesem Schockerlebnis, wieder voll spürbar. Es gab so viele emotionale Tiefs und Hochs in diesen drei Tagen und unterschwellig ein konstantes Gefühl von Geborgenheit, das ist gar nicht in Worte zu fassen. Der Guru in dem Ashram indem ich zurzeit lebe, sagte heute: „Hinter allem ist Glückseligkeit und das ist was wir wirklich sind. Alles andere sind hinzugefügte Gedankenkonstrukte.“ Ich veranschauliche mir diese Weisheit mit dem Satz: Hinter den Wolken ist der Himmel immer blau!

Laut GoogleMaps waren es augenblicklich noch 1,5km. Zu diesem Zeitpunkt kamen wir an einem Schild vorbei. Mein Gott wie wir uns über dieses erste Zeichen von Zivilisation gefreut haben. Das ganze umso mehr beim näheren Erreichen. Denn es stand geschrieben: „Baden verboten, dies ist eine Trinkwasserquelle.“ Pause und trinken war jetzt erst einmal angesagt. Krasser Weise, nachdem ich 1L Wasser getrunken hatte, war ich durstiger als zuvor. Das Durstgefühl wurde aktiviert. Ab sofort waren die steilsten Abschnitte überwunden und es ging von Stein zu Stein über den Fluss. Hier waren unzählige Spinnennetze gespannt und ich stellte fest, dass ich meine Angst vor ihnen verloren hatte. Gegen Ende, es waren vielleicht noch 500m zu gehen, kam ein Abschnitt ohne Steine im Fluss. Wir hatten absolut keinen Bock mehr auf Gebüsch und legten fest dass es bei Weitem besser sei durchs Wasser zu waten. Wir waren in hüfthohem Wasser, während Martin plötzlich schwachsinnig lachend von sich gab: „Kuck ma da, siehst du das Krokodil da vorne.“ „Ja ja“, dachte ich mir: „ Jetzt kommt er kurz vor dem Ziel mit dem Gag, wo ich vorher noch Witze über einen Endgegner gemacht habe?!“, schaute nach vorne und sah dieses verdammt große Reptil aus dem Fluss stapfen und im Unterholz verschwinden. Oh my Buddha! Mein Verstand machte wieder: „Fuck, fuck, fuck…“, diesmal mit akustischer Untermalung. Wir beratschlagten uns einmal erneut und gingen weiter durch den Fluss, wechselten aber auf die Seite, auf der das Wasser etwas klarer war und ich dachte mir: „Wenn Gott will, dass ich nach all den Strapazen von einem Krokodil gefressen werde, dann soll es so sein. Ist immerhin ein mega cooler Tod… .“ Es tauchten keine weiteren Reptilien auf und eine viertel Stunde später erreichten wir die erste Hütte. Ich war sowas von begeistert, riss meine Arme in die Luft, lief aus dem Fluss schnurstracks auf das Grundstück zu dem älteren Ehepaar dort und hab wohl irgendwas dabei gerufen, bis Martin mich bremste und mir zu verstehen gab, dass ich meine Euphorie kontrollieren sollte. Es war wohl besser. Denn die beiden waren völlig perplex und fingen an zu beteten, was sich anhörte wie: „Salam alaikum, aleikum salam, Allah, Allah, Allah,… .“ Ich überließ das Reden dann Martin. Der Mann erklärte ihm in welche Richtung unsere Hütten lagen und wir waren dabei kerzengerade darauf zu zumarschieren, bis der Mann uns stoppte und uns einen Weg raus aus seinem Garten zeigte. Wir waren so an den Dschungel gewöhnt, dass das Geradeaus für uns ein traumhaft einfacher Weg war^^

So war das! Zurückgekehrt und alle Ziele von vor der Tour maßlos übertroffen. Ich lernte meinem Herzen zu vertrauen, ich erkannte was passiert, wenn ich blind meinem Verstand folgte und vor allem lernte ich extrem viel über Zielsetzung, Zielverfolgung, Zielanpassung und Zielerreichung. Das Leben im „Jetzt“ hatte begonnen. Ich übe seit dem jeden Tag und erlebe Wunder. Alles ist da was ich brauche. Es folgte das große Fressen mit 4 Gerichten und 5 Getränken in Ruan’s Restaurant. Über unserem Tisch hing ein Holzschild mit den den deutschen Worten: „Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu Leben.“ Passend zum Trip! Und passend zum Tag 101 unserer Reise -vielleicht kennt der ein oder andere Leser noch die Halle 101 in Speyer- zelebrierten Martin und ich den Abend mit einiger gelber Brause…

 

Anhang 1: Als ich am darauffolgenden Tag meinen Rucksack komplett ausräumte fand ich ein Tigerseisen. Ein Heilstein, der mich beschützt. Vor 2 Jahren etwa war meine Exfreundin auf einem Mittelaltermarkt unterwegs. Als dieser schloss und sie das letzte Zelt auf ihrem Nachhauseweg passierte, kam eine alte Frau aus diesem auf sie zugelaufen. Die Frau sah aus wie eine Hexe und sagte zu ihr, dass sie einen Stein habe, den ihr Freund dringend benötige und sie kein Geld dafür wolle. Es war ein Tigereisen wie dieses…

Anhang 2: Die Geschichte aus Martins Sicht erzählt (auch sehr geil und mega witzig): same same but different

 


10 Gedanken zu „Das Abenteuer meines Lebens

  1. Danke für Deine Version dieser Tage auf der Insel.
    Martin hatt den „Wasserfall“ ausgelassen vielleicht um uns nicht zu verunsichern.
    Ein sehr guter persönlicher Text und in den Zitaten erkenne ich unseren Martin.
    Ich wünsche Dir auf Deiner Reise weiterhin das Glück und die Zuversicht die Du brauchst.

    Hansi
    Martins Dad

    1. Vielen Dank für dein Feedback und die guten Wünsche. Das ist „e Granat“ euer Sohn. Werde diesen ganzen Monat ewig in Erinnerung behalten. Alles Liebe

  2. Ich konnte nicht aufhören zu lesen, Mathias!!! Danke fürs Teilen dieses besonderen und magischen Trips! Deine Empfindungen lassen sich so gut nachspüren und es ist ein Geschenk, dass du die Welt an deinen persönlichen Wundererfahrungen teilhaben lässt!! DANKE, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast!
    ?? Namaste ??

    1. Hallo liebe Katharina,
      ich wünsche Dir erstmal einen fantastischen und wundervollen Unterricht heute. Es freut mich sehr, wenn andere Menschen meine authentische Art mögen und es tut soooo gut, das auch ab und an zu hören oder lesen. glG und Du bist herzlich eingeladen, diese Erfahrung zu teilen.

  3. Martin, ich habe Gänsehaut. Bin noch ohne Worte und wenn dich ein Mensch versteht, was Emotionen betrifft, dann ich. Auf seine Intuition vertrauen – ich könnt grad Halleluja singen.

    Danke, danke, danke……….. für diese so fesselnd geschriebenen Worte. Konnte einiges von dir lernen und ich fühle mich mehr als reich beschenkt.

    Danke – Namaste

      1. Wie schön Claudia und vielleicht hattest du die meiste Gänsehaut wegen Martin. Sein Stunt hat mir auf diesem Trip der Erkenntnis auch die meisten Emotionen abverlangt. LG -Halleluja!

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